Arnold Stadler über den Badischen Geniewinkel

Amelie Mutschler exklusiv im Interview mit Arnold Stadler zum Thema Meßkirch - der badische Geniewinkel im April 2019

Amelie Mutschler:

Herr Stadler, wie beurteilen Sie den Begriff „Badischer Geniewinkel“ im Bezug auf Meßkirch?

Arnold Stadler:

Es ist schon erstaunlich, dass in den vergangenen, sagen wir 500 Jahren – und wenn wir den heiligen Heimerad noch dazuzählen, dann sind es noch ein paar Jahrhunderte mehr - bei einem so kleinem Teilnehmerkreis an der Fortpflanzungsgesellschaft - so viele einzelne merk-würdige Gestalten aus Meßkirch kommen, und nicht etwa aus Tuttlingen oder Stockach oder Überlingen, zum Beispiel.

Vergleichbares ist mir aus anderen Weltgegenden nicht bekannt.

Also: Das ist schon etwas Besonderes. Ein boshafter Nachbar könnte sagen: ja, sie haben ja sonst nichts. Wenn auch das nicht stimmte. Richtig ist, dass der sogenannte Strukturwandel von der agrarischen Welt - in der Meßkirch auch eine Hauptstadt war im 19. Jahrhundert! - zur modernen nun digitalen, global agierenden, städtisch dominierten Industriegesellschaft, Meßkirch, eine landwirtschaftlich geprägte Metropole in Zeiten, als die Landwirtschaft noch im Mittelpunkt der Wirtschaft stand, besonders hart getroffen hat.

Und spätestens nach dem Wegzug der Fürstenberger und der Gründung der neuen Residenz bei dem Dorf Eschingen, heute Donaueschingen schon seit dem 18. Jahrhundert in eine nachteilige Position gebracht hat.

Dass Maggi und andere Firmen in Meßkirch nicht willkommen waren, ist auch eine Tatsache. Und auch die Bahnstrecke nicht haben wollte, welche geradewegs über Meßkirch von Ulm nach Freiburg hätte führen können, und nicht über die mühselige Strecke an der Donau zwischen Mengen und Tuttlingen entlang.

Auch die Bundeswehr nicht. Aber es gab doch große Firmen. Sogar Autopioniere. Und Bizerba und DUAL. Ich möchte es aber nicht einen Fehler nennen, was dennoch Folgen bis heute hat.

Dass zum Beispiel aus Dörfern wie Singen oder trostlosen württembergischen Exklaven wie Tuttlingen so bedeutende, heute sagt man STANDORTE werden konnten, ist Meßkirch nicht vorzuwerfen.

Ich möchte die Frage im Vergleich mit der Nachbarstadt Tuttlingen angehen. Da gibt es ja den berühmten Kannitverstan, den einer meiner allerliebsten Dichter, Johann Peter Hebel, aus Tuttlingen nach Amsterdam reisen lässt, wo er die Welt nicht versteht, und als geschäftiger Handwerksbursche schon gar keinen Sinn für das Leben und den Tod hat, in diesem großen Zusammenhang, worauf man sich in Meßkirch seit Abraham und erst recht seit Heidegger so sehr versteht, dass sich mehrere Wörter von Meßkirch aus in die Weltsprachen aufgemacht haben und zu einem veritablen Exportschlager geworden sind.

Ich wüsste aber nicht zu sagen, wer außer Kannitverstan und Gudrun Ensslin, die aber nicht in Tuttlingen geboren wurde, sonst noch aus Tuttlingen kommt.

Aus Meßkirch kommen Wörter wie >Angst< >Dasein< und >Das Sein zum Tode<, und >das Zeug< und >die Sorge<.

Aus Tuttlingen kommen die besten Seziermesser und OP-Schläuche, und so fort, womit gewiss bessere sogenannte Zahlen zu verbuchen sind.

Aber Meßkirch hat auch etwas, auf den ersten Blick nicht so zu versilbern wie ein Produkt. Aber weithin glänzend, eine Strahlkraft, die nicht in einer Bilanzsumme anzugeben ist.

Von der Nachbarstadt Tuttlingen, welche an Einwohnerzahl wie auch an Kaufkraft in den vergangenen 100 Jahren Meßkirch weit überholt hat, wüsste ich so etwas nicht zu sagen. Möglicherweise gibt es in Tuttlingen noch viel mehr Genies als in und aus Meßkirch, wenn man unter Genie nun etwas anderes versteht als in Meßkirch, wo das Wort Genie keineswegs mit Geld und Kapital und Technik verbunden wird, sondern mit Geist und Kunst.

Die Nachbarstadt Tuttlingen, das ich in einigen seiner vortrefflichsten Menschen erst in den letzten zwanzig Jahren kennen und hoch zu schätzen gelernt habe (bis dahin schauten die ehrwürdigen Meßkircher doch nicht gerade zu Tuttlingen auf) wirbt mit >Weltzentrum der Medizin<.So etwas fügt sich in die Welt von heute, die von Wirtschaft und Technik beherrscht wird. Auch da gibt es Genies. Es könnte also einen Reiz haben, wenn ich die Meßkircher Genies mit den Tuttlingern vergleiche, die erfinderischen mit den schöpferischen, und so fort.

Ich möchte nun gar nicht mit der altmodischen, aber ursprünglichen Vorstellung von Genie kommen: dass es sich um etwas aus dem Bereich der geistig-künstlerischen Kreativität handelt. Es könnte sein, dass ein frecher, angeberischer, auf die sogenannten Zahlen fixierter Tuttlinger von heute sich lustig macht über die Meßkircher und ihre Genies von gestern. In Zeiten, da der bloße Geist gar keinen Wert mehr hat und der Mensch als Verbraucher definiert ist vom herrschenden Mainstream.

Aber das wäre nicht das Problem der Stadt Meßkirch, sondern einer Welt, in der nur solche Dinge zählen, die weniger mit Genie und mehr mit Geld zu tun haben. Und auf diese Weise vermarkten lässt sich der Meßkircher Geniebegriff gewiss nicht so gut wie etwa die neueste Seziermesserserie von AESCULAP oder das neueste Produkt aus dem Haus Storz.

Zurück zu den Genies aus Meßkirch!

Erst recht angefangen mit der Rede vom Badischen Geniewinkel mit Heidegger.

Gewiss gehört Conradin Kreutzer dazu, der ein heute vielfach vergessener, aber doch genialer Komponist des 19. Jahrhunderts ist, der Liebling der Nation, wie er genannt wurde. Wenn wir großzügig sein wollen, dann gehört gewiss auch Abraham a Sancta Clara zu den Meßkircher Genies. Immerhin auch er ein Sprachmeister.

>Viele Leut haben Angst vor dem Tod wie die War [Kinder] vor dem Wauwau<.

Fast alle haben es mit Sprache zu tun: Der Verfasser der Zimmerischen Chronik, Abraham a Sancta Clara, Heidegger. Der Erfinder des Volapük sollte auch nicht ganz vergessen werden. Und selbstverständlich auch die Musiker nicht, die wie Kreutzer das Hobellied vertonten, oder der Meister von Meßkirch, der zum Beispiel eine berühmte Szene aus der Bibel: Der Besuch der heiligen Drei Könige in ein geniales Bild übersetzte. Sie alle haben es mit Sprache zu tun.

Der Höhepunkt dieser Genieserie im 20. Jahrhundert ist gewiss Martin Heidegger. Er hat den Namen Meßkirch in alle Welt getragen, vor allem dorthin, wo der sogenannte Geist weht: in der Philosophie an die Universitäten zwischen Buenos Aires und Tokyo, und so fort.

Und auch in diesen und jenen Kopf, der einem Globus gleicht, und auch eine Art Weltkugel ist, welche das Hirn birgt, manches Menschen, der auf diesen und jenen Satz stößt.

Ich bin zwar kein Philosoph, aber ein Sprachmensch bin ich doch, und als solcher kann ich sagen, dass mich Heidegger ungeheuer fasziniert hat, denn anders als manch anderer, eher sprachschwacher theorielastiger Philosoph, deren schlecht geschriebene Bücher ich nicht lesen mag, hat er ein Leben lang der Sprache die Ehre gegeben, und sein Tun (>Denken>) als Zwiegespräch mit der Dichtung verstanden. So etwas wäre einem Soziologen, die eigentlich das altmodisch gewordene Wort >Philosoph< abgelöst haben, nie eingefallen, die eigenen Gedanken in der Zwiesprache mit der Dichtung zu entwickeln.

Und vor allem hat sich Heidegger stilsicher und virtuos mit den Dichtern befasst, das heißt, ihnen die Ehre gegeben, aber nicht mit dem jederzeit brauchbaren Schiller hat sich Heidegger beschäftigt, sondern mit Hölderlin, wahrscheinlich dem allergrößten Dichter (aber es geht hier nicht darum Preise zu verteilen) [...]

Nicht nur eine Idee wäre es wert, all jene Genies, die nach Meßkirch gekommen sind, also nicht nur jene, die von Meßkirch her auf der Welt unterwegs sind, einmal zu sammeln zu einem Potpourri, und da gibt es doch seit Jahrhunderten ganz viele Genies, die in Meßkirch waren, ich denke jetzt nicht nur an Mozart. Der auch von mir sehr geschätzte Historiker Dr. Heim könnte hier gewiss weiterhelfen. Die Stadt könnte ihm einen Arbeitsauftrag geben, auch in diesem Bereich weiter nachzuforschen.

Hölderlins Fußreise von Tübingen nach Hauptwil bei Sankt Gallen führte über das Obere Donautal, wahrscheinlich war er da auch Meßkirch, wie so viele Genies vor oder nach ihm, und sich auch im Gedicht DER ISTHER (das griechische Wort für DONAU) niederschlug.

Meine These für die besondere Sprachkraft dieser Gegend ist, dass sie oder wir noch eine eigene Sprache haben, die sich sehr deutlich vom heutigen umgangssprachlichen Gewäsch unterscheidet, das sich für Schwäbisch oder Hochdeutsch hält und weder das Eine noch das andere ist. Aus dieser –eigenen- Sprache konnte Heidegger in seine Sprache übersetzen.

Und ich, wenn ich das an dieser Stelle erwähnen darf, dass ich auch ein Sprachmensch und Schriftsteller bin, tue dies auch.

Uns alle, die wir in der Sprache mehr sehen als ein nützliches Werkzeug im Infotainment- Bereich, verbindet, dass Sprache hier mehr ist als Information und Transportmittel für mehr oder weniger gescheite Gedanken, sondern dass in der Sprache etwas zum Vorschein kommt, was ich das Unverwechselbare nennen möchte. Mit diesem und jenem Satz, der uns, wenn wir es vernehmen können, zu Zeiten umhaut.

Amelie Mutschler:

Wenn von Meßkirch als dem "Badischen Geniewinkel" die Rede ist, wird auch ihr Name mit aufgelistet, wie stehen Sie selbst dazu?

Arnold Stadler:

Zu Genie selbst: Dazu kann ich nichts sagen. Es gibt verschiedene Arten von Genies. Das wäre das Fragment, welche Richtung meine Antwort nehmen müsste. In der Meßkircher Tradition stehe ich insofern, als es bei mir um Sprache geht, von Meßkirch an und Meßkirch her.

>Badischer Geniewinkel< Das bedarf heute einer Erklärung. Ich bin oder war gerne badisch. Doch schon Heidegger sagte es so ungefähr: Wir sind alle Schwaben. Keine Württemberger! Bitteschön. Aber auch sprachlich im schwäbisch-alemannischen Grenzbereich angesiedelt. Nicht im württembergischen, wohl aber im Alt- und Oberschwäbischen, als zum Beispiel von einem Dichter vor tausend Jahren der Bodensee schon das >Schwäbische Meer< genannt wurde.

Bis zum Ende meiner Tage werde ich es nicht schaffen, da unablässig jeden Tag in den Zeitungen und im Fernsehen (über die Fußballspiele wiederholt), was es für ein Unsinn ist, von Badenern und Schwaben zu sprechen. Richtig ist: badisch und württembergisch.

Weite Teile des heutigen Südens von Baden-Württemberg, Südbaden und Südwürttemberg und auch von Südbayern sind schwäbisch-alemannisch. Und im Norden von Baden und auch Württemberg leben herkunftsmäßig weder Schwaben noch Badener, sondern Kurpfälzer, Franken, Hohenloher und was weiß ich.

Ich bin ein badischer Schwabe. Genies aus Meßkirch wie Heidegger oder Bernhard Welte waren es auch.

Vielleicht wäre eine Ersatzlösung: Schwäbisch-Alemannischer Geniewinkel. Oder Gleich: Meßkircher Geniewinkel. Oder einfach: Geniewinkel. Also nicht Badischer Geniewinkel, und auch nicht schwäbischer Geniewinkel. Denn schon tausend Jahre zuvor war diese Gegend schwäbisch-alemannisch. Badisch und württembergisch ist sie erst seit 1806 gewesen.

Und in der Zeit davor galt: Rast und Sauldorf, zum Beispiel, gehörten (ob leider oder nicht) niemals zu Meßkirch. Wir waren bis zuletzt Petershauser, also Untertan des Reichsklosters Petershausen, zu dem noch Herdwangen und Hilzingen gehörten, das war’s dann, ein unabhängiger Staat im Heiligrömischen Reich. Leider aus der Geschichte verschwunden, so dass es nicht einmal die arroganten Konstanzer von heute noch wissen, dass auf der anderen Seite ihrer Stadt, nämlich auf der anderen Rheinseite (das alte Konstanz liegt komplett linksrheinisch, also auf der >Schweizer< Seite) Ausland war, die einst berühmte Fürstabtei Petershausen, die erst nach 1806 zu einem Stadtteil von Konstanz degradiert wurde, nachdem die Kostbarkeiten nach Karlsruhe verschleppt und die – wir wissen es nicht nur aus Berichten, sondern auch aus Bildern und Zeichnungen herrliche romanische Basilika abgerissen worden war, und aus dem ganzen Areal eine Kaserne gemacht worden war.

Soviel zu Sauldorf und Rast, das trotz seiner Nähe zu Meßkirch nicht zur Herrschaft Zimmern gehörte. Über meine Mutter aus Heudorf und die Großmutter aus Rohrdorf wäre ich heute aber doch nicht nur wegen meiner Geburt im Städtischen Krankenhaus - damals schon im Anbau, also nicht in jenem wunderschönen, (aus mir nicht bekannten, aber zu vermutenden Gründen) abgerissenen Hauptgebäude - auch ein Meßkircher.

Amelie Mutschler:

In Ihrem Gedicht „Schmerzensfreitag“ werden viele der „Badischen Genies“ genannt, haben Sie das Gefühl Sie alle richtig beschrieben zu haben oder unterscheidet sich das Gedicht vielleicht von Ihrer ganz persönlichen Meinung zu einzelnen (oder allen?) Persönlichkeiten?

Arnold Stadler:

Wenn etwas in einem Gedicht vorkommt, dann muss es klar sein, dass es da um keinen Beitrag mit der Frage richtig oder falsch aus dem Informationszusammenhang geht.

Auch in einem Roman, in dem zum Beispiel Meßkirch vorkommt, geht es um mehr und um anderes als um Information. Das ist die Aufgabe der Berichterstatter, der Historiker und der Sachbuchverfasser und der Leute von den Zeitungen.

Richtig beschrieben habe ich wahrscheinlich keinen einzigen. Vor allem jene Namen, die auf der ersten Seite meines ersten Romans auftauchen, habe ich keineswegs richtig beschrieben, und es täte mir leid, hätten die Leser das als einen Versuch verstanden, das heißt missverstanden, ich wollte mit irgendetwas oder irgendwem abrechnen, am Ende mit mir selbst.

Aber: wahr sein mit meinem Buch: das wollte ich schon. Es gibt einen Unterschied zwischen richtig und wahr, der aber in der technisch bestimmten Welt von heute gar nicht mehr wahrgenommen wird: dass es zwischen richtig und wahr einen gewaltigen Unterschied gibt. Die Frage in diesem Zusammenhang wäre nicht: "Ist das richtig?" Sondern "Ist das wahr?" – Ich kann mich selbst an mein erstes Jahr in einer anderen Sprachumgebung erinnern, das war an der Universität München, und ich fragte ständig: "Ist das wahr?" Meinte aber "Ist das richtig?" Das geläufige Hochdeutsch war meine erste Fremdsprache, die ich noch richtig lernen musste.

Es tut mir leid, dass es oftmals beim Lesen in meinen Büchern gerade in Meßkirch oder auch in Rast zu Missverständnissen gekommen ist, die ich aber selbst verschuldet habe. Ich kann von niemand verlangen, meine Bücher so zu lesen, wie ich sie gemeint habe. Andererseits verlange ich von niemandem, meine Bücher zu lesen. Und beschimpft werden so, wie es geschehen ist in Leserbriefen des SÜDKURIER wollte ich auch nicht.

Ich würde sämtliche Namen, die ich auf meiner ersten Romanseite nannte, niemals in einen schnellen Abrechnungs- und Abfertigungszusammenhang stellen, wie das heute geschieht, etwa im Umgang mit Heidegger oder auch Conrad Gröber.

Die Menschen sind oftmals zu schnell bei ihrer Freude an Verurteilungen und machen es sich zu leicht mit ihren Todesurteilen.

Amelie Mutschler:

Glauben Sie, dass der Begriff für die Stadt als kommunale Einrichtung eher „Aufgabe“, „Bürde“ oder „Rechtfertigung“ ist?

Arnold Stadler:

Von allem wird etwas dabei sein. Aber ich glaube doch, dass Meßkirch damit ganz gut leben kann. Und die sogenannten Genies auch.

Amelie Mutschler:

Halten Sie den Begriff geeignet, um für die Stadt Meßkirch im kulturellen und touristischen Bereich zu werben?

Arnold Stadler:

Ja, aber nicht im Mainstream, sondern als etwas Besonderes. Es ist gewiss nicht imageschädigend, darauf zu verweisen, dass Meßkirch sich nicht verstecken muss mit seinem bedeutenden Beitrag zur Kultur und zur Sprachgeschichte, spätestens seit der Zimmerischen Chronik, über Abraham a Sancta Clara bis zu Heidegger und meinetwegen darf durchaus noch ein Hinweis auf das Volapük dabei sein.

Ich finde, auch der Campus Galli passt in diesen Meßkircher Sprachzusammenhang; schließlich ist Sankt Gallen auch ein frühes Herzzentrum der deutschen Sprache; ich selbst befasse mich in meiner Doktorarbeit mit der Übersetzung des kompletten Buches der Psalmen durch Notker aus dem Lateinischen ins Deutsche um das Jahr 1000.

Und hat so ein Hinweis auf den Tourismusseiten in Zeiten, da wir nun nicht mehr jedes Wochenende nach Barcelona oder London fliegen sollten, vielleicht auch seine sogenannten positiven Effekte.

Ein zusätzliches Hotel, wie in Pfullendorf, wäre gewiß auch nicht schlecht.

Im Übrigen finde ich das Sanierungsprogramm, die alte Innenstadt betreffend, sehr gut. Es ist müßig, zu sagen, warum erst jetzt. Hauptsache ist doch, daß Meßkirch sein Profil an jener Engstelle zwischen Donau und dem zum Bodensee ausgeuferten Rhein, wie ich immer sage, zum Vorschein bringt. Das geschieht auch bisher schon. Die Broschüren, die ich gesehen habe, gefallen mir.

Und wenn dann noch die Wiederbelebung der alten Bahnstrecke dazukommt, auf der ich bis zur Einstellung (ich weiß nicht mehr, ob es 1966 oder 1967 war) noch in die Schule nach Meßkirch gefahren bin, und zuerst einmal gute anderthalb Kilometer vom Oberdorf in Rast zum Sauldorfer Bahnhof, dann wäre doch etwas geschafft.

Es ist schon bedenklich, sich zu vergegenwärtigen, dass der gewöhnliche Bürger, ob in meiner Geburtsstadt oder Heimatgemeinde, vor 100 Jahren ein besseres Verkehrsangebot hatte als heute. Die Benachteiligung des Landes, zu dem auch die Stadt Meßkirch gehört, ist kolossal.

Es liegt heute in Zeiten der Mobilität viel, wenn nicht alles, an einem verkehrsgünstigen Angeschlossensein ans Netz.

Das zu schaffen als Grundlage wäre auch für die Zukunft von Meßkirch ganz zentral, dass man mit Zug und Fahrrad anreisen könnte, zwischen Bodensee und Donau, wie im Donautal und am See schon lange zu den Grundausstattungen des Angebots.

Das bloße Wirtschaftsargument der Nichtrentabilität der Wiederbelebung der Bahnstrecke zwischen Sigmaringen und Radolfzell (das ist nämlich die alte Linie, und nicht Sigmaringen- Stockach!) sticht nicht, denn im Augenblick sind alle, auch ich, auf das Auto angewiesen, weil es gar keine Alternative gibt, sonst von Rast wegzukommen.

Mit dem Linienbus komme ich von Rast meines Wissens nicht einmal nach Meßkirch. Das ist nebenbei: ein Skandal, der die haarsträubende Benachteiligung der Landbewohner von heute sichtbar macht. Ihnen allen wird das Auto zugemutet, ob sie wollen oder nicht. Diese Frage muss sich ein wichtiger Städter in Berlin Hamburg oder München nicht stellen.

Ich würde jederzeit in dieser Sache auch einen Brief an den oder die Verkehrsminister schreiben, dachte auch schon an Wilfried Herrmann, den ich aus früheren Zeiten persönlich kenne.

Es wäre für mich ein Traum, gäbe es die alte Strecke wieder. Dann könnte ich vom Sauldorfer Bahnhof aus wie mein Großonkel nach Bremerhaven und Amerika fahren. Wie das vor 100 und 150 Jahren noch möglich war.